Donnerstag, 1. Mai 2014

Rezension 'Krieger des Feuers' von Brandon Sanderson



Das Reich und mit ihm die Stadt Luthadel sind von seiner Knechtschaft befreit, doch die wahre Herausforderung  steht Vin und ihrer Rebellengruppe noch bevor. Die Macht zu ergreifen ist nicht alles, sie zu halten ist das größere Problem. Das müssen die Rebellen schnell erkennen als sie noch beschäftigt sind, die Trümmer der Revolution aufzukehren, während sich feindliche Truppen ihrer Stadt nähern und eine Belagerung von mehreren Fronten beginnt. Doch als wäre dem nicht genug, spürt Vin, dass sich der Nebel verändert.

Meine leichte Antipathie gegen Vin konnte ich besonders in der ersten Hälfte des Buches nur sehr schwer überwinden. Sie steht im Schatten ihres Mentors und fürchtet immer noch, ihre Existenzberechtigung würde in dem Moment verlöschen, in dem sie nicht mehr nützlich genug ist. Zane, ein Nebelgeborener so wie sie, der in Vin die Rettung vor seinem eigenen Wahnsinn sieht, versucht sie zu überzeugen, dass sie zu einem Werkzeug für die hohen Herrschaften geworden ist und Vin versinkt in Zweifeln. Sie wird von den Skaa als Heldin verehrt, aber sie kann sich einfach nicht in diese Rolle fügen. Genauso wie sie nicht die Frau des neuen Königs werden kann. 

Elant, der junge Erbe des großen Hauses Wager, übernimmt nach der Rebellion den Position des neuen Königs. Er ist ein Idealist und glaubt fest an die Freiheit der Völker und die Demokratie. Obwohl er kein Allomant ist, übernimmt er die schwerwiegendste Rolle in der Regierung des Reiches. Dabei fällt die autoritäre Rolle dem Bücherwurm und Philosophen keinesfalls zu und so muss er nicht nur lernen, sich wie ein König zu gebären, sondern sich auch wie einer zu verhalten.

Die Charakterentwicklung in diesem Teil hat mir wieder sehr gut gefallen. Im letzten Drittel des Buches macht es sich unheimlich bezahlt, dass die Charaktere so lange Wege gehen müssen, um zu dem zu werden, was sie sein müssen. Als Elant das erste Mal nicht mehr Autorität gespielt hat, nicht einmal ausgestrahlt, sondern er schlicht Autorität war, hat er mich von den Füßen gerissen. Genauso wie Vin, die mich gerade in ihren Momenten des Begreifens gegen Ende vollkommen überzeugt hat.

Die alberne Truppe von damals musste erwachsen werden und mit schweren Verlusten zurechtkommen, aber hier und da blitzt der alte Schalk noch durch, was mich nach dem ersten Buch jetzt regelrecht melancholisch werden lässt.

Ich gebe eine Bewertung von 9/10.

Ich glaube, dass sich viele Kritiker, die das Buch als langatmig empfunden haben, an der ‚Politik‘ gestört haben. Aber mal ehrlich, wenn ich mir das Buch eines Autors vornehme, der für sein überragendes Worldbuilding bekannt ist, dann habe ich so etwas doch zu erwarten. 
Man muss sich auf Sandersons Stärke einlassen, schließlich höre ich auch keinen Rock, wenn ich Lust auf Klassik habe. 
Mich hat es interessiert, wie die Entwicklung einer Stadt nach einem so gravierenden Umsturz durch eine Rebellion voranschreitet und ich habe mich da nicht ‚durchquälen‘ müssen wie manche behaupten.  All die verschiedenen Interessengruppen mit eigenen Zielen und Absichten, die auch ein Stückchen vom Kuchen haben wollen und was aus einem Reich werden kann, in dem 1.000 Jahre zuvor Frieden herrschte, konnte mich durchweg zufrieden stellen.

Was mich zum Punktabzug bewogen hat, sind die reichlich vorhandenen Wiederholungen. Besonders an Zusammenfassungen, was im ersten Buch passiert ist, mangelt es nicht. Hier hätten ein paar Andeutungen genügt. Sich wiederholende Sätze haben aber abgenommen im Vergleich zum Vorgänger.

Beim letzten Drittel des Buches wollte ich es praktisch gar nicht mehr aus der Hand legen und selbst den Epilog habe ich geradezu verschlungen. Obwohl die Handlung des Buches befriedigend abgeschlossen wird, ist der wahre Knaller am Ende doch die Aussicht auf den nächsten Teil. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten und beginne schnellstmöglich mit dem Lesen.

Dienstag, 22. April 2014

Rezension 'Kinder des Nebels' von Brandon Sanderson



Seit tausend Jahren ist die Welt nicht mehr dieselbe. Täglich regnet es Asche, die Sonne leuchtet rot und in der Nacht ziehen unheimliche Nebel herauf, die seltsame Geschöpfe bergen. Über diese Welt regiert der Oberste Herrscher, der als unsterblicher Gott verehrt und gefürchtet (vor allem gefürchtet) wird. Das Volk der Skaa wird versklavt, gequält und unterdrückt – das Schlimmste aber ist, dass es sich seinem Schicksal ergeben hat und nicht einmal mehr an so etwas wie Widerstand glauben konnte.  

In dieser Welt, in deren Hauptstadt Luthadel, begegnen wir Vin, der Protagonistin. Sie lebt auf der Straße, schlägt sich als Mitglied einer üblen Diebesbande durch und erfährt nichts außer Prügel und Verrat. Dieses Leben hat sie hart und misstrauisch gemacht und unempfänglich für Werte wie Vertrauen und Freundschaft. 
Als der begnadete Dieb und Rebell Kelsier sie für die wahnsinnige Unternehmung ‚rekrutiert‘, das Reich zu retten und sich bereit erklärt, sie in der Kunst der Allomantie zu unterrichten, wird ihr Leben gehörig auf den Kopf gestellt. In seinem irrwitzigen Plan soll sie ausgerechnet eine Adlige spielen. Also heißt es Rüschenkleider, Tischmanieren und Etikette. Und nachts streift sie mit Kelsier durch den Nebel…

Sanderson schafft es wirklich, den Leser regelrecht in die Welt hineinzuziehen, die er erschaffen hat. Obwohl diese Welt wahnsinnig komplex ist, ist die Lernkurve beim Lesen sehr angenehm und ich hatte nie das Gefühl mit zu vielen Informationen überschüttet zu werden. 
Gemeinsam mit Vin lernt man mehr und mehr über die Welt und auch über die Allomantie, einem Magiesystem, das seine Kraft aus verschiedenen Metallarten zieht. Dabei unterscheidet man zwischen den Allomanten, die nur ein Metall einsetzen können und denen, die fähig sind, alle zu benutzen. Und obwohl sowohl Kelsier als auch Vin zur zweiten Kategorie gehören und damit geradezu ungerecht stark erscheinen müssten, stellen sie sich oft Gegnern, denen sie vollkommen unterlegen sind. 

Ich habe es sehr genossen, dass trotz all der Stärken auch gehörig mit Schwächen ausgeglichen wurde, die logisch nachvollziehbar sind und mit denen ein hohes Maß an Spannung gehalten werden kann.

Vin war mir nicht unbedingt sympathisch, aber ihre Charakterentwicklung habe ich als sehr stimmig empfunden. Sie ist so sehr bemüht, sich an ihre Umgebung anzupassen, dass sie dabei nie gelernt hat, sie selbst zu sein. Sie scheut vor ihrer weiblichen Seite und davor, dass sie genauso wie alle anderen geliebt werden will, weil sie glaubt, wenn sie diesen Schwächen nachgibt, ist sie verloren. Sie trägt tiefe Konflikte mit sich herum, denn obwohl sie als Skaa den Adel hassen müsste, gewöhnt sie sich doch an den Prunk und die Feste und ist beeindruckt von der Schönheit der Festungen. Dabei ist sie verzweifelt darauf bedacht, ihrer Rolle in Kelsiers Plan zu folgen, obwohl sie nicht an einen Erfolg glaubt, weil sie Angst hat, sonst wieder genau dort zu landen, wo sie hergekommen ist.

Kelsier, der die Rolle als Mentor und furchtloser Anführer übernimmt, war mir hingegen auf Anhieb sympathisch. Er glaubt fest an das Gelingen seiner Unternehmung, selbst als er Rückschläge und Verluste in Kauf nehmen muss. Obwohl man ihn stets lächelnd antrifft, hat er dabei nicht unbedingt ein sonniges Gemüt. In mancherlei Hinsicht ist er sogar viel engstirniger und in sich gekehrter als Vin, aber gerade seine Schwächen und seine Nachvollziehbarkeit haben mich eingenommen und mein Herz im Sturm erobert. 

Mehrere Dinge haben mich positiv überrascht. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Kelsier und Vin hat mir wirklich gefallen. Nach und nach wird er für sie zu einer Vaterfigur und jemandem, zu dem Vin wirklich aufschauen kann. Die Zuneigung, die sie für einander empfinden, ist etwas sehr zartes und zerbrechliches, gerade für die misstrauische Vin und Kelsier wird durch die Verantwortung, die er Vin gegenüber entwickelt und nicht zuletzt durch das Voranschreiten seines Plans allmählich erwachsen.

Ich gebe dem ersten Band eine Bewertung von 9/10.

Warum ich bei all den Lobgesängen trotzdem einen Punkt abziehe? Gleich vorweg, es sind nur Kleinigkeiten. Aber Kleinigkeiten, die mich einfach gestört haben. Zum Beispiel die unzähligen Wiederholungen einiger Sätze bei den vielen vielen vielen Dialogen. ‚Er zuckte die Achseln‘, um nur ein Beispiel zu nennen. Da hätte man vieles ein wenig eleganter lösen können. Genauso ging es mir mit dem ständigen Herumgekichere. Die ganze Bande, die Kelsier zusammengetrommelt hat, ist zwar ein fähiger, wenn auch durchaus kindischer Haufen, aber das war mir einfach ein bisschen zu viel.
Die Kindle-Ausgabe des Buches strotzt vor Tippfehlern und da ich das Buch in meinem Wahn laut vorgelesen habe, bin ich öfter deswegen ins Straucheln gekommen. Manche Fehler wiegen so schwer, dass sie wirklich unfreiwillig komisch werden…

Die Prophezeiungen von Terris. Mehr muss ich dazu gar nicht sagen. Hat zwar für ein lang anhaltendes Lachen gesorgt, die Dramatik aber effektiv zerstört.

Manche Rezensionen gehen soweit, zu sagen, dass das Buch nicht für Erwachsene zu empfehlen ist, aber der Meinung schließe ich mich absolut nicht an. 

Ja, ich finde auch, dass die Charaktere hier und da ein wenig zu naiv sind, insbesondere während den Dialogen, aber mehr als einen Punkt Abzug gibt es dafür nicht. Genauso wie mich die Nebencharaktere – die oft als Kritikpunkt angefügt werden – absolut überzeugt haben. Ich fand es genial, dass so wenig auf sie eingegangen wurde und man trotzdem das Gefühl vermittelt bekommt, sie zu kennen wie alte Freunde. Sanderson hat nicht einfach geschrieben, was für einen Charakter jeder einzelne hat, sondern er hat sie durch Dialoge leben lassen – ich persönlich empfand das als die bessere Herangehensweise. 

Manchen könnte das Buch zu detailliert vorkommen, was die Erklärungen der komplexen Magiesysteme und dem revolutionärem Pläneschmieden in Brainstormingform betrifft, aber ich habe mich gerade deshalb als ‚Teil des Teams‘ gefühlt, weil ich dem beiwohnen durfte, wie wichtige Entscheidungen nicht nur getroffen wurden, sondern wie sie sich entwickelt haben.

Ich kann das Buch allen Fantasyfans nur empfehlen. Ich hatte unheimlich viel Spaß daran, mit Kelsier über die Dächer und durch den Nebel zu fliegen und mit Vin auf den Bällen zu tanzen.

Ich freue mich auf den zweiten Band, auch wenn ich wohl wieder zwei Wochen brauchen werde, um ihn zu lesen.
 

Sonntag, 6. April 2014

Rezension ‚Der Siebte Tod‘ von Paul Cleave



„Mein Name ist Joe. Ich bin ein netter Kerl. Aber manchmal bringe ich Frauen um.“

Mit diesem Klappentext hat mich das Buch unweigerlich in seine Fänge gelockt. 
Joe führt ein makabres Doppelleben, nein sogar ein Dreierleben. Für seine – ich nenne sie mal ‚interessante‘ – Mutter – ist er der harmlose Autoverkäufer und in jeder Hinsicht eine Enttäuschung. In seiner Freizeit ist er ein gnadenloser Mörder und Vergewaltiger, der von den Medien als der ‚Schlächter von Chistchurch‘ beschrieben wird und tagsüber putzt er auf der Polizestation, um hier und da den neuesten Stand der Ermittlung abzugreifen. 

Mittlerweile sollen sieben Morde auf sein Konto gehen, aber Joe weiß aus erster Hand, dass es nur sechs waren. Er entscheidet sich also, seinen Copycatkiller zu finden und ihm die übrigen Morde anzuhängen. Er ist schließlich weitaus gerissener als die Polizei und hat bei seinen Ermittlungen vor, über Leichen zu gehen.

Für Joe so etwas wie eine Sympathie zu entwickeln, kann schon schwer fallen. Aus der Ich-Perspektive berichtet er uns in allen Einzelheiten seinen Alltag. Auch die Sache mit dem Töten. Es ist ein wenig unheimlich in seine Gedankenwelt einzutauchen und auf seiner Welle der Selbstliebe und des Menschenhasses mitzuschwingen.  Meine Emotionen während des Lesens bewegten sich zwischen Wut, Ekel und hämischem Lachen. Wer schwarzen Humor zu schätzen weiß, wird auf jeden Fall auf seine Kosten kommen. Dass die Vergewaltigungsszenen nicht explizit beschrieben werden, hat mir aber eindeutig geholfen, mich mit Joe ‚anzufreunden‘.

Sein Gegenpart ist Sally. Sally hilft bei Reparaturarbeiten in der Polizeistation und hegt große Sympathie für Joe, der sie an ihren verstorbenen Bruder erinnert. Sie ist hilfsbereit, gottesfürchtig und aufrichtig. Um es mal kurz zu sagen, mich hat selten ein Charakter so aufgeregt wie sie. Dass die ‚Guten‘ in diesem Buch so unglaublich Nerv tötend sind, trägt zweifelsohne einen Großteil meines Verständnisses für Joes alternativen Lebensweg bei. 

Interessant fand ich, wie sehr sich das Setting durch die verschiedenen Sichtweisen dieser beiden Charaktere verändert hat. Wo Joe nur Pisse und ranzige Obdachlose sieht, sieht Sally Sonnenschein und neue Gesprächspartner. Ich kann immer noch nicht mit Sicherheit sagen, ob ich Joe oder Sally verrückter finde.

In diesem Buch geht es wahnsinnig viel ums Selbstbelügen und Realität zurechtbiegen, um seine eigenen Handlungen zu rechtfertigen. Die Handlung schleicht dabei ziemlich mühselig voran und viele Situationen und Szenen empfinde ich im Nachhinein als überflüssig oder ‚Des Guten zu viel‘. Mir hätte zum Beispiel EIN Besuch bei Joes Mutter wirklich gereicht, um zu sehen, wie verrückt diese Frau ist. Etwas weniger Selbsthass von Sally, etwas weniger Selbstliebe von Joe. Ich habe alles als eine seichte Spur überzogen empfunden und war daher oft recht genervt von den statischen Charakteren. Sally durchlebt keinerlei Entwicklung. Die Charakterentwicklung von Joe ist so geringfügig, dass sie unter den Teppich zu kehren ist.

Der erste richtige Wendepunkt lässt zwar auf sich warten, kommt aber dann mit solchem Karacho, dass es einem den Atem verschlägt. Dieser Moment ist auf so viele Weisen grandios und genauso schrecklich, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Allerdings habe ich danach deutlich deutlich mehr erwartet. Stattdessen schleicht die Handlung danach mit demselben lauen Tempo weiter voran. Schade.

Richtig enttäuscht hat mich aber das Ende. Je näher ich dem Schluss kam, desto größere Hoffnungen habe ich eigentlich hineingesteckt. Aber es war vollkommen vorhersehbar. Um das zu erklären: die ganze Zeit läuft Sallys Handlungsstrang im Grunde auf eine Sache hinaus. Und man fragt sich, wie wird Joe reagieren, wenn es soweit ist. Das wird bestimmt das Finale. Aber nö. Völlig unspektakulär. Ich hätte mir etwas Grandioses vorgestellt, was jetzt endlich all die Nebenhandlungen begründet, aber Pustekuchen. 

Ich gebe eine Bewertung von 6/10.

Ich weiß, dass ich damit vermutlich unter dem Schnitt der geläufigeren Kritiken liege, aber trotz vieler guter Ansätze, konnte mich das Buch als Ganzes nicht überzeugen. Das heißt nicht, dass es nicht mit großartigen Momenten aufwarten kann, denn die gibt es ohne Zweifel. Aber alles in allem hätte ich mir gewünscht, dass es ein paar Seiten am Alltäglichen gespart hätte und diese lieber in ein fulminanteres Finale investiert hätte.

Sonntag, 30. März 2014

Rezension ‚Die Farbe Blau‘


Amsterdam im 17. Jahrhundert.

Der erfolglose junge Maler Cornelis Suythof verdient sein Geld als Wärter in einer Zuchtanstalt für Männer und ihre jüngsten ‚Neuzugänge‘ in der Dunkelzelle bereiten ihm Kopfzerbrechen. Es sind ehrenvolle Bürger, die doch ihre Nahestehenden bestialisch ermordet haben und in beiden Fällen ist ein Gemälde im Spiel, das in einem intensiven Blau gehalten ist.
Der Stil des Bildes erinnert Cornelis an Rembrandts Werke und doch wieder nicht - weiß er doch, dass der alte Meister ein Leben lang beim Malen auf die Farbe Blau verzichtet hat.
Als Cornelis` Freund ein Opfer des „Todesbildes“ wird, nimmt er die Ermittlungen in die eigene Hand und gerät daraufhin in das weit verzweigte Netz einer Intrige, dessen Ausmaß die ganze Stadt bedroht.

Ein Buch, das sich absolut dazu eignet, regelrecht verschlungen zu werden.

Zuerst war ich etwas verschreckt, weil der Schreibstil für mich nach den letzten drei Büchern, die ich in mich reingeprügelt habe, eine absolute Umstellung bedeutete. Ich hatte mich ja nun gerade an die kurzen und abgehackten Sätze eines Profikillers gewöhnt und war positiv überrascht, wie leicht sich an Kastners Schreibstil einzustellen war. Denn trotz der ‚gehobenen‘ Sprache, versteht es der Autor mit wenigen Worten eine packende Atmosphäre zu schaffen.

Die Geschichte entwickelt sich zügig und liest sich, wie schon erwähnt, wie von selbst weg. Die Titel der einzelnen Kapitel sind verheißungsvoll genug, dass man meistens gar nicht anders kann, als weiterzulesen, um dem nächsten Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Besonders dankbar war ich für den passiven Dialog mit dem erfolgreich nervige Wiederholungen vermieden wurden und der den Platz für die wesentlichen Dinge in den Gesprächen freigehalten hat.
Zu Anfang springt hier und da die Zeitform zwischen Vergangenheit und Gegenwart und auch wenn das durchaus nachvollziehbare und logische Gründe hat (z.B. ein Gebäude, das es immer noch gibt) hat es mich im Lesefluss doch etwas gestört.  Aber im späterem Verlauf des Buches ist mir das nicht mehr begegnet, ebenso wenig wie die kleinen Setzfehler, die sich hier und da eingeschlichen haben. 

Das Setting war hervorragend ausgearbeitet und wie schon erwähnt dafür doch angenehm zügig geschildert. Das düstere Amsterdam des 17. Jahrhunderts läd in seinen Kaschemmen zum Trinken ein und lockt mit allerlei farbenfroher, wenn auch nicht selten äußerst heimtückischer Bekanntschaft. Ich habe während des Lesens ein hohes Maß an Frustration aufgebaut, weil ich mich nur allzu gern über die ungeheuerlichen Zustände und ‚Gesetze‘ der damaligen Zeit eschauffiert habe – und ich glaube, der Protagonist teilt meinen Schmerz. 

Ich konnte das Leid des erfolglosen Malers als Zeichner nur allzu gut nachempfinden und mich deswegen entsprechend gut in den Hauptcharakter einfühlen, der in der Ich-Form erzählt. Die Charakterentwicklung gefiel mir besonders gut, denn die Erlebnisse formen nach und nach ein nachvollziehbares Selbstbewusstsein, das nicht übersteigert wirkt, aber mit dem der Protagonist mit gebührlichem Enthusiasmus voranschreitet.  

Dabei geht unser Maler mehr als einmal buchstäblich durch die Hölle und man fragt sich nicht selten, welches Entkommen es diesmal aus seiner ausweglosen Lage geben kann.   
Nicht selten habe ich mich an einigen Stellen an die Werke von H.P. Lovecraft erinnert gefühlt und Leuten, die dessen Geschichten auch nur eine Spur weit interessant finden, kann ich dieses Buch nur ans Herz legen. 
Was mich am allermeisten gefreut hat, ist dass Rembrandt persönlich in der Geschichte eine große Rolle spielt und auch als handelnder Charakter auftritt.

Ich gebe guten Gewissens eine Bewertung von 9/10.

Und kann euch nur viel Spaß beim Lesen wünschen.

Auf jeden Fall nehme ich einen bitteren, aber wahren Spruch aus der Geschichte für meine zukünftige Laufbahn als Künstler mit:
 
„Heute male ich gelb, morgen rot, doch immer bettle ich um Brot.“