Sonntag, 6. April 2014

Rezension ‚Der Siebte Tod‘ von Paul Cleave



„Mein Name ist Joe. Ich bin ein netter Kerl. Aber manchmal bringe ich Frauen um.“

Mit diesem Klappentext hat mich das Buch unweigerlich in seine Fänge gelockt. 
Joe führt ein makabres Doppelleben, nein sogar ein Dreierleben. Für seine – ich nenne sie mal ‚interessante‘ – Mutter – ist er der harmlose Autoverkäufer und in jeder Hinsicht eine Enttäuschung. In seiner Freizeit ist er ein gnadenloser Mörder und Vergewaltiger, der von den Medien als der ‚Schlächter von Chistchurch‘ beschrieben wird und tagsüber putzt er auf der Polizestation, um hier und da den neuesten Stand der Ermittlung abzugreifen. 

Mittlerweile sollen sieben Morde auf sein Konto gehen, aber Joe weiß aus erster Hand, dass es nur sechs waren. Er entscheidet sich also, seinen Copycatkiller zu finden und ihm die übrigen Morde anzuhängen. Er ist schließlich weitaus gerissener als die Polizei und hat bei seinen Ermittlungen vor, über Leichen zu gehen.

Für Joe so etwas wie eine Sympathie zu entwickeln, kann schon schwer fallen. Aus der Ich-Perspektive berichtet er uns in allen Einzelheiten seinen Alltag. Auch die Sache mit dem Töten. Es ist ein wenig unheimlich in seine Gedankenwelt einzutauchen und auf seiner Welle der Selbstliebe und des Menschenhasses mitzuschwingen.  Meine Emotionen während des Lesens bewegten sich zwischen Wut, Ekel und hämischem Lachen. Wer schwarzen Humor zu schätzen weiß, wird auf jeden Fall auf seine Kosten kommen. Dass die Vergewaltigungsszenen nicht explizit beschrieben werden, hat mir aber eindeutig geholfen, mich mit Joe ‚anzufreunden‘.

Sein Gegenpart ist Sally. Sally hilft bei Reparaturarbeiten in der Polizeistation und hegt große Sympathie für Joe, der sie an ihren verstorbenen Bruder erinnert. Sie ist hilfsbereit, gottesfürchtig und aufrichtig. Um es mal kurz zu sagen, mich hat selten ein Charakter so aufgeregt wie sie. Dass die ‚Guten‘ in diesem Buch so unglaublich Nerv tötend sind, trägt zweifelsohne einen Großteil meines Verständnisses für Joes alternativen Lebensweg bei. 

Interessant fand ich, wie sehr sich das Setting durch die verschiedenen Sichtweisen dieser beiden Charaktere verändert hat. Wo Joe nur Pisse und ranzige Obdachlose sieht, sieht Sally Sonnenschein und neue Gesprächspartner. Ich kann immer noch nicht mit Sicherheit sagen, ob ich Joe oder Sally verrückter finde.

In diesem Buch geht es wahnsinnig viel ums Selbstbelügen und Realität zurechtbiegen, um seine eigenen Handlungen zu rechtfertigen. Die Handlung schleicht dabei ziemlich mühselig voran und viele Situationen und Szenen empfinde ich im Nachhinein als überflüssig oder ‚Des Guten zu viel‘. Mir hätte zum Beispiel EIN Besuch bei Joes Mutter wirklich gereicht, um zu sehen, wie verrückt diese Frau ist. Etwas weniger Selbsthass von Sally, etwas weniger Selbstliebe von Joe. Ich habe alles als eine seichte Spur überzogen empfunden und war daher oft recht genervt von den statischen Charakteren. Sally durchlebt keinerlei Entwicklung. Die Charakterentwicklung von Joe ist so geringfügig, dass sie unter den Teppich zu kehren ist.

Der erste richtige Wendepunkt lässt zwar auf sich warten, kommt aber dann mit solchem Karacho, dass es einem den Atem verschlägt. Dieser Moment ist auf so viele Weisen grandios und genauso schrecklich, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Allerdings habe ich danach deutlich deutlich mehr erwartet. Stattdessen schleicht die Handlung danach mit demselben lauen Tempo weiter voran. Schade.

Richtig enttäuscht hat mich aber das Ende. Je näher ich dem Schluss kam, desto größere Hoffnungen habe ich eigentlich hineingesteckt. Aber es war vollkommen vorhersehbar. Um das zu erklären: die ganze Zeit läuft Sallys Handlungsstrang im Grunde auf eine Sache hinaus. Und man fragt sich, wie wird Joe reagieren, wenn es soweit ist. Das wird bestimmt das Finale. Aber nö. Völlig unspektakulär. Ich hätte mir etwas Grandioses vorgestellt, was jetzt endlich all die Nebenhandlungen begründet, aber Pustekuchen. 

Ich gebe eine Bewertung von 6/10.

Ich weiß, dass ich damit vermutlich unter dem Schnitt der geläufigeren Kritiken liege, aber trotz vieler guter Ansätze, konnte mich das Buch als Ganzes nicht überzeugen. Das heißt nicht, dass es nicht mit großartigen Momenten aufwarten kann, denn die gibt es ohne Zweifel. Aber alles in allem hätte ich mir gewünscht, dass es ein paar Seiten am Alltäglichen gespart hätte und diese lieber in ein fulminanteres Finale investiert hätte.

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