„Mein Name ist Joe. Ich bin ein netter Kerl. Aber manchmal bringe ich Frauen um.“
Mit diesem Klappentext hat mich das Buch unweigerlich in
seine Fänge gelockt.
Joe führt ein makabres Doppelleben, nein sogar ein
Dreierleben. Für seine – ich nenne sie mal ‚interessante‘ – Mutter – ist er der
harmlose Autoverkäufer und in jeder Hinsicht eine Enttäuschung. In seiner Freizeit
ist er ein gnadenloser Mörder und Vergewaltiger, der von den Medien als der ‚Schlächter
von Chistchurch‘ beschrieben wird und tagsüber putzt er auf der Polizestation,
um hier und da den neuesten Stand der Ermittlung abzugreifen.
Mittlerweile
sollen sieben Morde auf sein Konto gehen, aber Joe weiß aus erster Hand, dass
es nur sechs waren. Er entscheidet sich also, seinen Copycatkiller zu finden und
ihm die übrigen Morde anzuhängen. Er ist schließlich weitaus gerissener als die
Polizei und hat bei seinen Ermittlungen vor, über Leichen zu gehen.
Für Joe so etwas wie eine Sympathie zu entwickeln, kann
schon schwer fallen. Aus der Ich-Perspektive berichtet er uns in allen
Einzelheiten seinen Alltag. Auch die Sache mit dem Töten. Es ist ein wenig
unheimlich in seine Gedankenwelt einzutauchen und auf seiner Welle der
Selbstliebe und des Menschenhasses mitzuschwingen. Meine Emotionen während des Lesens bewegten
sich zwischen Wut, Ekel und hämischem Lachen. Wer schwarzen Humor zu schätzen
weiß, wird auf jeden Fall auf seine Kosten kommen. Dass die Vergewaltigungsszenen
nicht explizit beschrieben werden, hat mir aber eindeutig geholfen, mich mit
Joe ‚anzufreunden‘.
Sein Gegenpart ist Sally. Sally hilft bei Reparaturarbeiten
in der Polizeistation und hegt große Sympathie für Joe, der sie an ihren
verstorbenen Bruder erinnert. Sie ist hilfsbereit, gottesfürchtig und
aufrichtig. Um es mal kurz zu sagen, mich hat selten ein Charakter so aufgeregt
wie sie. Dass die ‚Guten‘ in diesem Buch so unglaublich Nerv tötend sind, trägt
zweifelsohne einen Großteil meines Verständnisses für Joes alternativen Lebensweg
bei.
Interessant fand ich, wie sehr sich das Setting durch die verschiedenen
Sichtweisen dieser beiden Charaktere verändert hat. Wo Joe nur Pisse und
ranzige Obdachlose sieht, sieht Sally Sonnenschein und neue Gesprächspartner.
Ich kann immer noch nicht mit Sicherheit sagen, ob ich Joe oder Sally
verrückter finde.
In diesem Buch geht es wahnsinnig viel ums Selbstbelügen und
Realität zurechtbiegen, um seine eigenen Handlungen zu rechtfertigen. Die
Handlung schleicht dabei ziemlich mühselig voran und viele Situationen und
Szenen empfinde ich im Nachhinein als überflüssig oder ‚Des Guten zu viel‘. Mir
hätte zum Beispiel EIN Besuch bei Joes Mutter wirklich gereicht, um zu sehen,
wie verrückt diese Frau ist. Etwas weniger Selbsthass von Sally, etwas weniger
Selbstliebe von Joe. Ich habe alles als eine seichte Spur überzogen empfunden
und war daher oft recht genervt von den statischen Charakteren. Sally durchlebt
keinerlei Entwicklung. Die Charakterentwicklung von Joe ist so geringfügig,
dass sie unter den Teppich zu kehren ist.
Der erste richtige Wendepunkt lässt zwar auf sich warten,
kommt aber dann mit solchem Karacho, dass es einem den Atem verschlägt. Dieser
Moment ist auf so viele Weisen grandios und genauso schrecklich, dass man das
Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Allerdings habe ich danach deutlich
deutlich mehr erwartet. Stattdessen schleicht die Handlung danach mit demselben
lauen Tempo weiter voran. Schade.
Richtig enttäuscht hat mich aber das Ende. Je näher ich dem
Schluss kam, desto größere Hoffnungen habe ich eigentlich hineingesteckt. Aber
es war vollkommen vorhersehbar. Um das zu erklären: die ganze Zeit läuft Sallys
Handlungsstrang im Grunde auf eine Sache hinaus. Und man fragt sich, wie wird Joe
reagieren, wenn es soweit ist. Das wird bestimmt das Finale. Aber nö. Völlig
unspektakulär. Ich hätte mir etwas Grandioses vorgestellt, was jetzt endlich
all die Nebenhandlungen begründet, aber Pustekuchen.
Ich gebe eine Bewertung von 6/10.
Ich weiß, dass ich damit vermutlich unter dem Schnitt der
geläufigeren Kritiken liege, aber trotz vieler guter Ansätze, konnte mich das
Buch als Ganzes nicht überzeugen. Das heißt nicht, dass es nicht mit
großartigen Momenten aufwarten kann, denn die gibt es ohne Zweifel. Aber alles
in allem hätte ich mir gewünscht, dass es ein paar Seiten am Alltäglichen
gespart hätte und diese lieber in ein fulminanteres Finale investiert hätte.
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