Dienstag, 22. April 2014

Rezension 'Kinder des Nebels' von Brandon Sanderson



Seit tausend Jahren ist die Welt nicht mehr dieselbe. Täglich regnet es Asche, die Sonne leuchtet rot und in der Nacht ziehen unheimliche Nebel herauf, die seltsame Geschöpfe bergen. Über diese Welt regiert der Oberste Herrscher, der als unsterblicher Gott verehrt und gefürchtet (vor allem gefürchtet) wird. Das Volk der Skaa wird versklavt, gequält und unterdrückt – das Schlimmste aber ist, dass es sich seinem Schicksal ergeben hat und nicht einmal mehr an so etwas wie Widerstand glauben konnte.  

In dieser Welt, in deren Hauptstadt Luthadel, begegnen wir Vin, der Protagonistin. Sie lebt auf der Straße, schlägt sich als Mitglied einer üblen Diebesbande durch und erfährt nichts außer Prügel und Verrat. Dieses Leben hat sie hart und misstrauisch gemacht und unempfänglich für Werte wie Vertrauen und Freundschaft. 
Als der begnadete Dieb und Rebell Kelsier sie für die wahnsinnige Unternehmung ‚rekrutiert‘, das Reich zu retten und sich bereit erklärt, sie in der Kunst der Allomantie zu unterrichten, wird ihr Leben gehörig auf den Kopf gestellt. In seinem irrwitzigen Plan soll sie ausgerechnet eine Adlige spielen. Also heißt es Rüschenkleider, Tischmanieren und Etikette. Und nachts streift sie mit Kelsier durch den Nebel…

Sanderson schafft es wirklich, den Leser regelrecht in die Welt hineinzuziehen, die er erschaffen hat. Obwohl diese Welt wahnsinnig komplex ist, ist die Lernkurve beim Lesen sehr angenehm und ich hatte nie das Gefühl mit zu vielen Informationen überschüttet zu werden. 
Gemeinsam mit Vin lernt man mehr und mehr über die Welt und auch über die Allomantie, einem Magiesystem, das seine Kraft aus verschiedenen Metallarten zieht. Dabei unterscheidet man zwischen den Allomanten, die nur ein Metall einsetzen können und denen, die fähig sind, alle zu benutzen. Und obwohl sowohl Kelsier als auch Vin zur zweiten Kategorie gehören und damit geradezu ungerecht stark erscheinen müssten, stellen sie sich oft Gegnern, denen sie vollkommen unterlegen sind. 

Ich habe es sehr genossen, dass trotz all der Stärken auch gehörig mit Schwächen ausgeglichen wurde, die logisch nachvollziehbar sind und mit denen ein hohes Maß an Spannung gehalten werden kann.

Vin war mir nicht unbedingt sympathisch, aber ihre Charakterentwicklung habe ich als sehr stimmig empfunden. Sie ist so sehr bemüht, sich an ihre Umgebung anzupassen, dass sie dabei nie gelernt hat, sie selbst zu sein. Sie scheut vor ihrer weiblichen Seite und davor, dass sie genauso wie alle anderen geliebt werden will, weil sie glaubt, wenn sie diesen Schwächen nachgibt, ist sie verloren. Sie trägt tiefe Konflikte mit sich herum, denn obwohl sie als Skaa den Adel hassen müsste, gewöhnt sie sich doch an den Prunk und die Feste und ist beeindruckt von der Schönheit der Festungen. Dabei ist sie verzweifelt darauf bedacht, ihrer Rolle in Kelsiers Plan zu folgen, obwohl sie nicht an einen Erfolg glaubt, weil sie Angst hat, sonst wieder genau dort zu landen, wo sie hergekommen ist.

Kelsier, der die Rolle als Mentor und furchtloser Anführer übernimmt, war mir hingegen auf Anhieb sympathisch. Er glaubt fest an das Gelingen seiner Unternehmung, selbst als er Rückschläge und Verluste in Kauf nehmen muss. Obwohl man ihn stets lächelnd antrifft, hat er dabei nicht unbedingt ein sonniges Gemüt. In mancherlei Hinsicht ist er sogar viel engstirniger und in sich gekehrter als Vin, aber gerade seine Schwächen und seine Nachvollziehbarkeit haben mich eingenommen und mein Herz im Sturm erobert. 

Mehrere Dinge haben mich positiv überrascht. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Kelsier und Vin hat mir wirklich gefallen. Nach und nach wird er für sie zu einer Vaterfigur und jemandem, zu dem Vin wirklich aufschauen kann. Die Zuneigung, die sie für einander empfinden, ist etwas sehr zartes und zerbrechliches, gerade für die misstrauische Vin und Kelsier wird durch die Verantwortung, die er Vin gegenüber entwickelt und nicht zuletzt durch das Voranschreiten seines Plans allmählich erwachsen.

Ich gebe dem ersten Band eine Bewertung von 9/10.

Warum ich bei all den Lobgesängen trotzdem einen Punkt abziehe? Gleich vorweg, es sind nur Kleinigkeiten. Aber Kleinigkeiten, die mich einfach gestört haben. Zum Beispiel die unzähligen Wiederholungen einiger Sätze bei den vielen vielen vielen Dialogen. ‚Er zuckte die Achseln‘, um nur ein Beispiel zu nennen. Da hätte man vieles ein wenig eleganter lösen können. Genauso ging es mir mit dem ständigen Herumgekichere. Die ganze Bande, die Kelsier zusammengetrommelt hat, ist zwar ein fähiger, wenn auch durchaus kindischer Haufen, aber das war mir einfach ein bisschen zu viel.
Die Kindle-Ausgabe des Buches strotzt vor Tippfehlern und da ich das Buch in meinem Wahn laut vorgelesen habe, bin ich öfter deswegen ins Straucheln gekommen. Manche Fehler wiegen so schwer, dass sie wirklich unfreiwillig komisch werden…

Die Prophezeiungen von Terris. Mehr muss ich dazu gar nicht sagen. Hat zwar für ein lang anhaltendes Lachen gesorgt, die Dramatik aber effektiv zerstört.

Manche Rezensionen gehen soweit, zu sagen, dass das Buch nicht für Erwachsene zu empfehlen ist, aber der Meinung schließe ich mich absolut nicht an. 

Ja, ich finde auch, dass die Charaktere hier und da ein wenig zu naiv sind, insbesondere während den Dialogen, aber mehr als einen Punkt Abzug gibt es dafür nicht. Genauso wie mich die Nebencharaktere – die oft als Kritikpunkt angefügt werden – absolut überzeugt haben. Ich fand es genial, dass so wenig auf sie eingegangen wurde und man trotzdem das Gefühl vermittelt bekommt, sie zu kennen wie alte Freunde. Sanderson hat nicht einfach geschrieben, was für einen Charakter jeder einzelne hat, sondern er hat sie durch Dialoge leben lassen – ich persönlich empfand das als die bessere Herangehensweise. 

Manchen könnte das Buch zu detailliert vorkommen, was die Erklärungen der komplexen Magiesysteme und dem revolutionärem Pläneschmieden in Brainstormingform betrifft, aber ich habe mich gerade deshalb als ‚Teil des Teams‘ gefühlt, weil ich dem beiwohnen durfte, wie wichtige Entscheidungen nicht nur getroffen wurden, sondern wie sie sich entwickelt haben.

Ich kann das Buch allen Fantasyfans nur empfehlen. Ich hatte unheimlich viel Spaß daran, mit Kelsier über die Dächer und durch den Nebel zu fliegen und mit Vin auf den Bällen zu tanzen.

Ich freue mich auf den zweiten Band, auch wenn ich wohl wieder zwei Wochen brauchen werde, um ihn zu lesen.
 

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